Die Folgen des Klimawandels sind allgegenwärtig

Die Auswirkungen des Klimawandels sind nicht bloss eine Angelegenheit der fernen Zukunft, sondern sind schon heute ¨¹berall auf der Welt nachweisbar. Dies ist eine Kernaussage des neuen Sachstandsberichts der Arbeitsgruppe II des IPCC.

Vergr?sserte Ansicht: Korallenbleiche
Infolge hoher Wassertemperaturen gebleichtes Korallenriff. (Bild: Ove Hoegh-Guldberg / University of Queensland)

Der zweite Teil des f¨¹nften IPCC-Sachstandsberichts, verfasst von der Arbeitsgruppe II, ist anfangs letzter Woche der ?ffentlichkeit vorgestellt worden1. Damit findet eine aufw?ndige Arbeit von Tausenden beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern2 bald ihren definitiven Abschluss. Doch einfach zu fassen sind dessen Ergebnisse nicht, da n¨¹chterne Wissenschaft sich f¨¹r sensationelle Schlagzeilen nicht gut eignet.

Die Arbeitsgruppe II befasst sich mit Auswirkungen, Anpassung und Verwundbarkeiten. Die Auswirkungen beinhalten alles, was vom Klimawandel direkt oder indirekt zu sp¨¹ren ist. Der Bericht stellt aber auch dar, wie man sich an diese Ver?nderungen anpassen kann und welche Verwundbarkeiten bleiben. Er beinhaltet also eine umfassende Analyse davon, wie sich der Klimawandel auf Mensch und Umwelt auswirkt. Das Werk baut auf dem ersten Teilbericht auf, der sich mit den physikalisch wissenschaftlichen Grundlagen befasste (Arbeitsgruppe I)3. Der neue Berichtsteil bildet eine wichtige Grundlage zur Beurteilung jeglicher Klimapolitik, dient sie nun der Vermeidung des Klimawandels oder dem Schutz betroffener Systeme durch Anpassung, seien diese Systeme tierischer, pflanzlicher oder menschlicher Natur.

Alle Sektoren ¨¹berall betroffen ¨C wenn auch unterschiedlich

Vergr?sserte Ansicht: Gletschersee
Unterer Grindelwaldgletscher: Das Abschmelzen f¨¹hrte zu Bergsturz und Stauung eines Gletschersees der mittels Abflussstollens entlastet werden musste. (Bild: Bruno Petroni, swisseduc.ch)

Ja, der Bericht zeigt auf, dass sich alleine die bisherige Klima?nderungen in fast allen Sektoren auswirken: Betroffen sind etwa die Eiswelt, der Wasserhaushalt, Gebirgslandschaften und die hohen Breiten (Stichwort Permafrost), verschiedenste ?kosysteme wie z.B. die empfindlichen Korallenriffe, W?lder und landwirtschaftliche Kulturen, aber auch die menschliche Gesundheit.

?berall auf der Welt lassen sich eindeutig beobachtete ?nderungen ¨C Gletscherr¨¹ckg?nge, fr¨¹heres Bl¨¹hen, ver?nderte Wasserversorgung oder landwirtschaftliche Ertr?ge ¨C statistisch mit der Erw?rmung oder h?ufiger gewordenen Extremereignissen wie Starkniederschl?gen oder D¨¹rreperioden in Zusammenhang bringen. Der Einfluss des Klimawandels ist klar nachweisbar, auch wenn diese Auswirkungen je nach Gegend und betroffenem System in unterschiedlichem Ausmass zu beobachten sind. Eindr¨¹cklich ist auch, dass selbst in einem Bereich wie der Landwirtschaft, wo sich der Klimawandel sowohl positiv4 wie negativ auswirken kann, die negativen Auswirkungen deutlich ¨¹berwiegen. Im letzten IPCC Bericht von 2007 ging man gem?ss damaligem Forschungsstand noch davon aus, dass die negativen Auswirkungen auf die Ertr?ge wichtiger Kulturpflanzen wie Weizen und Mais noch nicht gleich so stark ins Gewicht fielen.

Schl¨¹sselrisiken systematisch identifiziert

Sowohl im Bereich Anpassung6 als auch bez¨¹glich Auswirkungen verfolgt der Bericht konsequent einen neuen Risikoansatz. Der Klimawandel erh?ht nun viele Risiken, da er sowohl Expositionen ?ndert wie auch Gefahren erh?ht, z.B. durch h?ufigere Extremereignisse. ?berall da, wo Verwundbarkeit vorhanden ist und sich Gefahrenh?ufigkeit und Exposition infolge des Klimawandels ung¨¹nstig ver?ndern, ergeben sich Schl¨¹sselrisiken (siehe nachfolgende Abbildung).

Vergr?sserte Ansicht: Grafik Klimawandelszenarien und Auswirkungen
Zwei m?gliche mittlere Erw?rmungsszenarien (links) und damit verbundene Risiken (rechts), die umso gr?sser werden, je st?rker der Klimawandel ausf?llt. (Grafik: IPCC AR5 WGII Box SPM.1 Figure 1)

Schon nur bei einer geringf¨¹gigen weiteren Erw?rmung um 1¡ãC ab heute ergibt sich f¨¹r den hohen Norden sowie f¨¹r Korallenriffe ein sehr hohes Risiko. Je nach Ausmass weiterer Erw?rmung, insbesondere bei einem ungebremsten Klimawandel, erg?ben sich dann erhebliche Risiken wie Abnahme der Ern?hrungssicherheit infolge von Ertragsr¨¹ckg?ngen, witterungsbedingt schwankender Preise oder unw?gbaren Ver?nderungen vieler ?kosysteme bis hin zum Aussterben ganzer Arten. Je st?rker die Erw?rmung also ausf?llt, desto gr?sser werden die Risiken.

Erhebliche Restrisiken

Wir wissen heute, dass sich die Klimarisiken durch Anpassungsmassnahmen erheblich vermindern lassen. Doch der Anpassung sind auch Grenzen gesetzt, die wiederum je nach Sektor und Region unterschiedlich sind. Was bleibt, sind die sogenannten Restrisiken.

Vergr?sserte Ansicht: Schlüsselrisiken
Schl¨¹sselrisiken (orange Balken, Verminderung durch Anpassung schraffiert) f¨¹r Europa infolge von Starkniederschl?gen, Meeresspiegelanstieg (oben), Erw?rmung, D¨¹rren (Mitte) und Hitzewellen (unten) (Grafik: IPCC AR5 WGII Box SPM.2 Table 1).

Bemerkenswert ist, dass beispielsweise f¨¹r Europa diese Restrisiken trotz unterschiedlichem Ausmass der Erw?rmung gem?ss Szenario verbl¨¹ffend ?hnlich gross gesch?tzt wurden (siehe nachfolgende Abbildung). Allerdings muss man hierbei beachten, dass die Aufwendungen und Kosten f¨¹r Anpassung bei ungebremstem Klimawandel etwa doppelt so hoch anfallen w¨¹rden.

Trotz allen Anpassungen, die zum Gl¨¹ck laut Bericht m?glich sind, verbleiben in vielen Sektoren und vielen Weltregionen erhebliche Restrisiken. Diesen k?nnen wir nur begegnen, indem wir den Klimawandel eind?mmen oder vermeiden. Anpassung und Vermeidung erg?nzen sich und sollten nicht als sich ausschliessende Alternativen gesehen werden. Sie unterscheiden sich jedoch in ihrer Unmittelbarkeit: Anpassung ist heute m?glich und notwendig, und man kann unmittelbaren Nutzen daraus ziehen. Die Fr¨¹chte der Vermeidung lassen sich aber erst sp?ter ernten. Trotzdem zeigt der Bericht ¨¹berdeutlich: Vermeidung muss sein. Sie ist n?tig, um die erheblichen Restrisiken rechtzeitig durch Klimaschutz zu verringern oder g?nzlich einzud?mmen5. Ganz nach dem Sprichwort ?Vorbeugen ist besser als heilen?.

 

Andreas Fischlin hat am neuen Sachstandsbericht der Arbeitsgruppe II des IPCC mitgearbeitet und an den Schlussverhandlungen zur Genehmigung des Berichts in Yokohama, Japan, teilgenommen.

Weiterf¨¹hrende Informationen

1 Kurzfilm: externe SeiteBeitrag der Arbeitsgruppe II zum f¨¹nften Sachstandsbericht des IPCC; Bericht: IPCC, 2014: externe SeiteClimate Change 2014: Impacts, Adaptation, and Vulnerability. Contribution of Working Group II to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change

2 309 KernautorInnen (HauptautorInnen und RevisionseditorInnen), 436 BeitragsautorInnen und 1729 BegutachterInnen aus insgesamt 84 L?ndern haben unter Ber¨¹cksichtigung von ¨¹ber 12¡¯000 wissenschaftlichen Arbeiten und 50¡¯492 Kommentaren im Verlaufe der letzten 4 Jahre zum Bericht beigetragen.

3 Kurzfilm: externe SeiteBeitrag der Arbeitsgruppe I zum f¨¹nften Sachstandsbericht des IPCC; Bericht: IPCC, 2013. externe SeiteClimate change 2013: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC).

4 In der Schweiz wurden beispielsweise 2011 infolge g¨¹nstiger, warm-feuchter Witterung im Zuckerr¨¹benanbau Rekordernten erzielt.

5 Der in K¨¹rze anstehende dritte Berichtsteil wird sich ganz diesem Thema widmen.

6 Professor Anthony Patt hat in seinem Beitrag betont, dass dieser Bericht erstmals besonderes Gewicht auf die Anpassungen legt.

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